| 27. April 2022

Wie die ARA Birs in Birsfelden zum Schutz der Nordsee beiträgt

Nicolas Stöcklin, Amt für Industrielle Betriebe

Auf der ARA Birs wurden die Rührwerke ersetzt. Durch den Einsatz von neuen Aggregaten in Verbindung mit der modernen Steuerung wird ihr Stromverbrauch deutlich reduziert. Warum es auf einer ARA überhaupt Rührwerke braucht und was es mit dem Schutz der Nordsee auf sich hat, erfahren Sie im vorliegenden Bericht.

Stickstoff: Fluch und Segen
Ohne Stickstoff – kein Leben. Dies gilt sowohl für Menschen und Tiere als auch für Pflanzen. In Form von Protein ist Stickstoff lebenswichtig in der Ernährung von Mensch und Tier. In seinen wasserlöslichen Formen bestimmt er massgeblich, welche Pflanzenerträge erzielt werden können. So lebenswichtig der Stickstoff ist, so schädlich kann er sein, wenn er in Form von Ammoniak oder Nitrit (Fischgifte), Lachgas (Treibhausgas) oder Nitrat (Grundwasserbelastung bzw. Überdüngung) in die Umwelt gelangt.

Kläranlagen eliminieren verschiedene Stickstoffverbindungen
Die Kläranlagen sorgen insbesondere dafür, dass keine akut toxischen Stickstoffverbindungen wie Ammoniak und Nitrit in die Gewässer gelangen. Dazu wird das im häuslichen Abwasser enthaltene Ammonium von spezialisierten Bakterien zu Nitrat umgewandelt. In modernen regionalen Kläranlagen wie der ARA Birs wird das Nitrat anschliessend von einer anderen Bakteriengruppe grösstenteils aus dem Abwasser eliminiert. In der Schweiz ist Nitrat insbesondere für die Trinkwassergewinnung von Bedeutung. So wird gemäss dem Bundesamt für Umwelt schweizweit der Grenzwert für Nitrat im Grundwasser an fast 15 Prozent der Messstellen überschritten. In ackerbaulich geprägten Gebieten manifestiert sich dies sogar an mehr als 40 Prozent der Messstellen.

Eines von 20 Rührwerken während der Montage. Die fünf Klärbecken mussten dazu nacheinander für jeweils drei Wochen ausser Betrieb genommen werden. (Quelle: ZVG)

Stickstoffeintrag hat negative Auswirkungen auf Küstenregione
Gelangen Stickstoffverbindungen z.B. aus Kläranlagen, aber auch aus der Landwirtschaft in hiesige Gewässer, landet der Stickstoff letztlich in der Nordsee und kann sich dort akkumulieren. In maritimen Küstengebieten begünstigt ein übermässiger Stickstoffeintrag das starke Wachstum von Algen. Die Ausscheidung von Algengiften und der Sauerstoffmangel durch den Abbau abgestorbener Biomasse haben verheerende Folgen für Flora und Fauna in Küstengebieten. Im Rahmen der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) sowie des Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt im Nordostatlantik (OSPAR) beteiligt sich die Schweiz deshalb seit Jahrzehnten an Programmen zur Reduktion des Stickstoffeintrags in diese Gewässer.

Bakterien reinigen das Abwasser – Rührwerke stellen den Kontakt her
Damit die Bakterien das Abwasser effizient reinigen können, müssen sie in den Klärbecken in Kontakt mit den Schmutzstoffen gebracht werden. Dafür sorgen auf der ARA Birs pro Becken vier Vertikalrührwerke, also in den fünf Becken insgesamt 20 Rührwerke. 

Eines von 20 Rührwerken während der Montage. Die fünf Klärbecken mussten dazu nacheinander für jeweils drei Wochen ausser Betrieb genommen werden. (Quelle: ZVG)

Sobald frisches Abwasser in ein Becken gelangt, beginnen sich die Propellerrührwerke langsam zu drehen und durchmischen das gesamte Becken, welches 36,5 Meter breit und acht Meter tief ist.

Wenn eine gute Durchmischung erreicht ist, kann mit den neuen Rührwerken die Leistung und somit der Stromverbrauch reduziert werden. Diese Betriebsweise, in Kombination mit neuen Motoren und effizienten Rührwerk-Propellern, führen zu einer beträchtlichen Reduktion des Stromverbrauchs.

ARA Birs: Sehr gute Reinigungsleistung, relativ wenig Lachgasemissionen
Die ARA Birs wurde mit dem Ausbau in den Jahren 2005-2007 darauf ausgelegt, den Stickstoff im Abwasser nicht nur umzuwandeln, sondern aus dem Abwasser zu eliminieren. Mit einer Stickstoffelimination von rund 80 Prozent entspricht die Anlage einem sehr hohen Stand der Technik.

Zudem sind die Bakterien auch in der Lage, Lachgas abzubauen. Da Lachgas ein extrem starkes Treibhausgas ist (265-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid), sind bereits geringe Emissionen klimarelevant. Für die ARA Birs zeigte sich im Rahmen einer einjährigen Messkampagne unter der Führung der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, ein Lachgas-Emissionsfaktor von 0,1 Prozent. Dies bedeutet, dass 0,1 Prozent des enthaltenen Stickstoffs als Lachgas in die Atmosphäre gelangt. Im schweizweiten ARA-Vergleich ist dies ein tiefer, sehr guter Wert. Aufgrund des grossen Treibhauspotenzials von Lachgas ist das AIB jedoch bereits am nächsten Forschungsprojekt der Eawag beteiligt, um die zu Grunde liegenden, mikrobiologischen Prozesse mit Hilfe von DNA-Extraktion und Sequenzierung noch besser zu verstehen.