Tempo 30 auf Kantonsstrassen begründet möglich
Der Regierungsrat hat in vier Baselbieter Gemeinden Tempo-30-Abschnitte auf Kantonsstrassen bewilligt. Während in Bottmingen, Oberwil und Therwil die Bewilligung aus Gründen des Lärmschutzes erteilt wurde, war in Maisprach die Verbesserung der Verkehrssicherheit ausschlaggebend.
Gesetzlicher Auftrag und Rahmenbedingungen
Auf vielen Abschnitten des Kantonsstrassennetzes werden trotz lärmarmen Belägen die Lärmgrenzwerte überschritten. Der Strasseneigentümer oder die Strasseneigentümerin sind dazu verpflichtet zu prüfen, mit welchen Massnahmen der Lärm reduziert werden kann. Eine mögliche Massnahme ist es, die Höchstgeschwindigkeit herabzusetzen. Auch besondere Schutzbedürfnisse für Fussgängerinnen und Fussgänger können die Anordnung von Tempo 30 erfordern, beispielsweise wenn ein Trottoir fehlt. In beiden Fällen muss sich die Tempoanpassung durch ein Gutachten als nötig-, zweck- und verhältnismässig erweisen.
Die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h wirkt sich positiv auf die Lärmsituation aus. Bereits eine durchschnittliche Geschwindigkeitsreduktion von wenigen Stundenkilometern führt nachweislich zu weniger Lärm.

Tempo 30 Abschnitte zur Verminderung übermässiger Lärmbelastung (Quelle: TBA)
Im vergangenen Herbst hatte der Regierungsrat nach einer breiten Anhörung die Voraussetzungen und das Verfahren für Tempo 30 auf Kantonsstrassen festgelegt. Die Regelgeschwindigkeit soll dabei wie bisher 50 km/h bleiben. In begründbaren Fällen werden nun aber Ausnahmen möglich. Eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit soll dort erfolgen, wo der grösste Nutzen hinsichtlich des Lärms, der Raumqualität und der Verkehrssicherheit zu erwarten ist. Um die Funktion der Kantonsstrassen beizubehalten, werden auch bei Tempo 30 die bestehenden Vortrittsverhältnisse zu Gunsten der Kantonsstrasse belassen. Fussgängerstreifen bleiben weiterhin möglich. Bauliche Anpassungen sind somit in der Regel nicht nötig.
Mit den Vorgaben des Regierungsrats kann künftig das Verkehrsregime flexibler gestaltet werden. Es wird nicht mehr starr zwischen verkehrsorientierten Strassen mit Tempo 50 und siedlungsorientierten Strassen mit Tempo 30 unterschieden, sondern es kann auch eine Mischform geben.
Vorgehen bei Antrag auf Tempo 30
Die Prüfung der Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h auf Kantonsstrassen innerorts kann einerseits mit Antrag der Gemeinde ausgelöst werden oder andererseits im Rahmen eines Lärmsanierungsprojekts des Kantons erfolgen. Ein Antrag von der Gemeinde muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Auf den angrenzenden Gemeindestrassen besteht bereits eine Tempo-30-Zone oder sie ist verbindlich vorgesehen.
- Es besteht ein Gemeinderatsbeschluss mit Begründung für die abweichende Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h.
- Eine regionale Abstimmung / Koordination (soweit möglich und nötig) ist erfolgt.
Das Tiefbauamt der Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) prüft in Zusammenarbeit mit der Sicherheitsdirektion (SID) die Gutachten. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind und die abweichende Höchstgeschwindigkeit nötig, zweck- und verhältnismässig ist, erfolgt die Verkehrsanordnung durch die SID. Die Anordnung wird durch die Publikation im Amtsblatt eröffnet, worauf Betroffene eine Beschwerde einreichen können.

Es wird nicht mehr starr zwischen verkehrsorientierten Strassen mit Tempo 50 und siedlungsorientierten Strassen mit Tempo 30 unterschieden (im Bild: Bahnhofstrasse in Therwil) (Quelle: TBA)
Inhalte des Gutachten
Mit dem Gutachten ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob eine Massnahme auf dem betreffenden Abschnitt gemäss den gesetzlichen Vorgaben nötig erscheint. Dabei ist ein lärmarmen Belag prioritär zu berücksichtigen. Neben der Einzelbetrachtung des betroffenen Abschnitts ist auch eine kantonale bzw. regionale Betrachtung notwendig. Speziell zu beachten sind dabei mögliche Reisezeitverlängerungen beim öffentlichen Verkehr und unerwünschte Verkehrsverlagerungen auf Quartierstrassen.
Weiteres Vorgehen
Die Verkehrsanordnungen für die Gemeinden Bottmingen, Oberwil, Therwil und Maisprach wurden im Amtsblatt publiziert. Die Umsetzung der Tempo-30-Abschnitte ist ab dem zweiten Quartal 2022 vorgesehen. Aufgrund von Beschwerden bei den Abschnitten in Bottmingen, Oberwil und Therwil ist die Umsetzung noch nicht abschliessend gesichert.
Die Erarbeitung der Gutachten von weiteren Gemeindeanträgen aufgrund hoher Lärmwerte wird erst ausgelöst, wenn Erfahrungen zur Akzeptanz und wenn nötig eine rechtskräftige Beurteilung des Gerichts zu den erwähnten Gutachten und Verkehrsanordnungen vorliegen.