| 17. August 2020

Abwasser aus Liedertswil wird jetzt in Niederdorf gereinigt

Michael Fischer, Amt für Industrielle Betriebe

Nach rund 50 Betriebsjahren waren an der Abwasserreinigungsanlage in Liedertswil dringende Sanierungsarbeiten nötig. Zum Schutz des Weigistbächlis wurde die Kläranlage nicht saniert, sondern aufgehoben. Das Abwasser wird neu auf der ARA Frenke 2 in Niederdorf behandelt.

Im Baselbiet behandeln neben sieben regionalen auch zahlreiche lokale Abwasserreinigungsanlagen (ARA) das Abwasser der Bevölkerung, von Gewerbe und Industrie. An einer solchen kleinen, unbemannten Kläranlage sind in der Regel die Haushalte von wenigen hundert Einwohnerinnen und Einwohner angeschlossen. Nach jahrzehntelangem Dauerbetrieb standen an der ARA Liedertswil dringende Sanierungsarbeiten an. In den letzten 50 Jahren sind die gesetzlichen Anforderungen und Rahmenbedingungen an Anlagen stetig gestiegen: Die Erwartung an Reinigungsleistung und Betriebsbereitschaft sind heute höher und die Arbeitssicherheitsgesetze strenger. Auch der Einfluss einer ARA an angrenzende Trinkwasserschutzzonen muss heute besser kontrolliert werden.  

An erster Stelle standen der Schutz des Weigistbächlis und des Grundwassers vor Schadstoffen aus dem Abwasser. Der Auslauf einer Kläranlage enthält immer noch hohe Schadstoffkonzentrationen, insbesondere an Stickstoff, Phosphor und organischen Verunreinigungen. Gerade kleinere ARA haben aus technischen Gründen nicht die gleichen Reinigungskapazitäten wie die grossen Abwasserreinigungsanlagen. Eine ungenügende Verdünnung des ARA-Auslaufs mit Bachwasser wirkt sich auch auf die Wasserlebewesen aus – so auch in Liedertswil. Die Aufhebung der ARA und die Ableitung des Abwassers auf eine benachbarte grössere Anlage war letztlich die einzig nachhaltige Lösung.  

Dieses Konzept bringt aus wirtschaftlicher Sicht klare Vorteile. Dank effizienterer Bauverfahren und neuer Baumaterialien können Ableitungskanäle heute günstiger gebaut werden. Zudem ist die Behandlung auf einer grossen ARA wirtschaftlicher als auf einer kleinen. Daher verfolgt das AIB seit Jahren eine konsequente Konzentrationsstrategie: Bevor eine Kläranlage einer Komplettsanierung unterzogen wird, prüft das AIB deren Aufhebung und die Ableitung des Abwassers auf eine grössere Kläranlage. So fiel auch für Liedertswil der Entscheid, das Abwasser künftig via Oberdorf in die ARA Frenke 2 in Niederdorf abzuleiten.  

Die ARA Liedertswil wurde aufgehoben – das Abwasser wird seither in Niederdorf gereinigt. (Quelle: AIB)

Auch für Hemmstoffe (Substanzen, die das Bakterienwachstum hemmen) sind kleine Kläranlagen im Gegensatz zu grossen Kläranlagen anfälliger. Bereits kleine Mengen an Herbiziden (Mittel zur Unkrautvernichtung) können, wenn sie unsachgemäss in der Kanalisation entsorgt werden, eine kleine Kläranlage überlasten. So geschah es im Winter 2016: Ende Dezember gelangte ein unbekannter Hemmstoff in die ARA Liedertswil und schädigte die biologische Reinigungsstufe derart, dass die Abwasserreinigung zum Erliegen kam. Zum Schutz der Trinkwasserversorgung musste die z’Hof-Quelle in Niederdorf vorsorglich ausser Betrieb genommen werden.

Das Projekt stellte das AIB bereits zu Beginn vor zwei grosse Herausforderungen: Zum einen musste der Ableitungskanal nach Oberdorf durch eben jenes Grundwasserschutzgebiet geführt werden, welches mit der Ableitung geschützt werden soll. Zum anderen musste die Liedertswilerstrasse, in welche der Ableitungskanal verlegt werden sollte, dringend saniert werden. Wegen des schlechten Strassenzustands konnte die Sanierung nicht verschoben werden. Deshalb musste die Kläranlage bereits im Jahr 2018 aufgehoben werden. Dank der guten Zusammenarbeit der beteiligten Behörden konnte die Ausgabenbewilligung in Rekordzeit erwirkt werden. 

Der neue Ableitungskanal wird vorbereitet. (Quelle: AIB)

Mit der Bewilligung des Kredits war das Problem um die Grundwasserschutzzone jedoch noch nicht gelöst – es musste unter rollender Planung eine Lösung gefunden werden. Daher wurde im Projektteam entschieden, sich zuerst ausschliesslich um die Werkleitungsarbeiten zu kümmern, da diese mit dem Tiefbauamt koordiniert werden mussten. Um einen umfassenden Schutz bei der Trinkwassergewinnung zu gewährleisten, entschied sich das AIB für ein innovatives Rohrsystem, welches bereits andernorts erfolgreich getestet wurde.

Nachdem 2018 rund 1'600 Meter des Schutzmantelrohres verlegt und das Rohrleitungssystem erfolgreich getestet wurde, konnte die ARA Liedertswil Ende 2018 provisorisch vom Netz genommen werden. In einer zweiten Etappe wurde die Ausführungsplanung auf der ARA Frenke 2 in Angriff genommen. Das ehemalige Biologiebecken wurde an das bestehende Mischwasserbecken angebaut, sodass sich das Rückhaltevolumen zum Rückhalt des Schmutzstosses bei Regenbeginn vergrösserte. Ausserdem mussten die Steuerung und die Alarmierung erneuert und an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. Auch die Maschinentechnik wurde komplett auf den neusten Stand gebracht.  

Die Anlage konnte Ende 2019 offiziell dem Betrieb übergeben werden. Die Projektkosten beliefen sich auf rund 1,8 Millionen Franken und liegen zirka 20 Prozent unter der Kostenschätzung. Erste Keimuntersuchungen unterhalb der ehemaligen Einleitstelle am Weigistbächli bestätigen die erwartete Verbesserung der Wasserqualität eindrücklich. Das Amt für Industrielle Betriebe ist zuversichtlich, dass die weiteren Untersuchungen dieses Ergebnis bestätigen.